Deutsche Glücksspielmarkt Teil 4Vor wenigen Tagen erschien mit der Studie „Der Deutsche Glücksspielmarkt! - Eine volkswirtschaftliche Betrachtung“ mit 102 Seiten eine der größten Untersuchungen zu diesem so wichtigen Thema. Gerade vor dem Hintergrund der jetzt kommenden Gesetze, die zu einem Massensterben an Spielotheken führen werden, lohnt es sich, die darin enthaltenen Daten etwas genau unter die Lupe zu nehmen. In den bereits 3 Teilen, die bei uns erschienen sind, zeigten wir die enorme volkswirtschaftliche Bedeutung dieses Wirtschaftszweiges auf. Rund 14 Milliarden Euro an zu versteuerbaren Umsätzen erwirtschaftet die deutsche Glücksspielindustrie und gibt dabei fast 200.000 Menschen einen Arbeitsplatz. Dabei strahlt der gesamte Sektor auch auf andere Bereiche der Volkswirtschaft aus. Mit über 36.000 Immobilien, meist gemietet und einem dreistelligen Millionenetat in der Werbewirtschaft hat das Glücksspiel in Luxemburg auch in diesen Sektoren einen nicht zu unterschätzenden Einfluss. Aufgrund der ganzen Diskussion zwischen Politik, Glücksspielwirtschaft und Verbänden gegen Spielsucht, werden wir in unserem letzten Teil auf diesen Themenkomplex näher eingehen. Dabei beleuchten wir, wie viel Geld Bund, Länder und Gemeinden aus Spielautomaten und Lotterien einnehmen und wie viel dieser Steuereinnahmen der Allgemeinheit zu Gute kommen. Auf der anderen Seite werfen wir auch einen genaueren Blick auf die verursachten sozialen Kosten, die die Spielsucht ebenfalls verursacht und werden dies mit der Tabaksucht ins Verhältnis setzen.

Rund 5,5 Milliarden Euro an Steuern und Abgaben fließen an den Staat

In der Studie des Handelsblatt Research Instituts wurde auch der Frage nachgegangen, wie viele Steuern und Abgaben der gesamte Deutsche Glücksspielmarkt in das Staatssäckel spült. Allerdings gibt es hier, aufgrund der bisher nicht erfolgten Regulierung des gesamten Geschäfts mit Online Casinos, nur verlässliche Daten aus dem sogenannten regulierten Markt. Dieser wird gebildet aus Lotterien, Sportwetten aus staatlicher Hand, Spielautomaten aus Spielotheken und Spielbanken und Wetten auf Pferderennen. Aus dem Bereich des nicht-regulierten Glücksspielmarktes sind nur halbwegs verlässliche Daten aus den privaten, terrestrischen Wettshops vorhanden. Durch die nun erfolgte Gesetzesänderung, die eine Liberalisierung des Marktes für Sportwetten mit sich bringt und die Möglichkeit für privaten Anbieter schafft eine Lizenz zu erhalten, werden hier in Zukunft noch genauere Aussagen möglich sein. Doch allein die bisher nachvollziehbaren Steuereinnahmen aus dem regulierten Glücksspielmarkt stellen ein nicht gerade geringen Anteil an den Einnahmen des Staats dar. Insgesamt beläuft sich dieser Betrag aus Steuern und Abgaben auf rund 5,5 Milliarden Euro und setzt sich aus rund 5,3 Milliarden Euro aus dem regulierten Sektor und geschätzten 0,243 Milliarden Euro aus dem Bereich der Sportwetten des nicht-regulierten Marktes zusammen. Letzteres bildet jedoch, laut der Studie „Der Deutsche Glücksspielmarkt“ - Eine volkswirtschaftliche Betrachtung“, nur die Untergrenze ab. Aufgrund der fehlenden Regulierung der Online Casinos und dem damit einhergehenden Versäumnis der Kontrolle, liegen in diesem Bereich keine verlässlichen Daten über das Steueraufkommen in diesem Bereich vor.

Um den Stellenwert der Steuereinnahmen für den Staat aus dem Glücksspiel aufzuzeigen, lohnt es sich dieses mit einem anderen Wirtschaftszweig zu vergleichen, der ebenfalls wegen Sucht ständig im Fokus steht. Die Tabakindustrie kam beispielsweise im Jahr 2015 auf ein Steueraufkommen von insgesamt 14,9 Milliarden Euro.

Lotto generiert mit Abstand die meisten Steuern und Abgaben

Mit insgesamt rund 5,5 Milliarden Euro trägt der Deutsche Glücksspielmarkt zu Steueraufkommen des Staates bei. Allerdings geht die Studie nicht auf die indirekten Steuern ein, die ebenfalls durch diesen Sektor entstehen oder ermöglicht werden. So werden keine Daten darüber erhoben, wie hoch die gezahlten Steuern aus der Lohn- und Einkommenssteuer der fast 200.000 Beschäftigten sind. Außerdem werden auch keinerlei Angaben über andere Steuern, beispielsweise der Umsatzsteuer gemacht, die durch den Konsum der Mitarbeiter entsteht. Durch das Einkommen aus dem Beschäftigungsverhältnis kann mehr konsumiert werden, was wiederum zu höheren Steuereinnahmen führt. Würden diese indirekten Steuern miteinbezogen, dürfte der Anteil am Steueraufkommen, welche durch den Deutschen Glücksspielmarkt generiert wird, noch deutlich höher liegen. Trotz dessen gehen aus der Studie auch andere interessante Daten hervor. So zeigt sich, dass gerade die in staatlicher Hand befindlichen Lotterien den Löwenanteil an Steuern und Abgaben leisten. Dabei geht mit 2,278 Milliarden Euro der größten Batzen auf die sonstigen Abgaben zurück. Diese bilden sich hauptsächlich aus den Einnahmen der Lotterien, nachdem alle Kosten und Steuern von den erwirtschafteten Bruttospielerträgen abgezogen wurden. In der privaten Wirtschaft würden diese den Gewinn nach Steuern darstellen. Diese Abgaben sind zum größten Teil zweckgebunden und kommen zum Beispiel der Sportförderung zu Gute. Zusätzlich zu dieser immensen Summe tragen die Lotterien noch 1,466 Milliarden Euro an Lotteriesteuer bei, die wiederum vor allem den Bundesländern nach Gutdünken zur Verfügung steht. Den Rest der rund 5,5 Milliarden Euro bilden mit 0,837 Milliarden Euro die Vergnügungssteuer, mit 0,518 Milliarden Euro die Umsatzsteuer, mit 0,24 Milliarden die Sportwettsteuer und mit 0,005 Milliarden Euro die Totalisatorsteuer.

Die verschiedenen Gemeinden der Bundesrepublik generieren zusätzlich auch noch Gewerbesteuer von Spielotheken und Annahmestellen für Lotto. Die geschätzten Einnahmen für die Kommunen belaufen sich dabei für das Jahr 2015 auf 61,9 Millionen Euro aus Zockerbuden mit Spielautomaten und 28,7 Millionen Euro aus dem Vertrieb mit Lottoprodukten.

Steuereinnahmen aus Glücksspiel wachsen seit Jahren

Der Kernpunkt im Deutschen Glücksspielstaatsvertrag ist die Bekämpfung der Spielsucht und hier lohnt es sich an Hand der Daten der Studie vom Handelsblatt Research Institut einen Blick auf die Entwicklung der Steuereinnahmen der letzten Jahre zu werfen. Denn wenn die Bekämpfung der Spielsucht oberste Priorität für die Politik genießt, sollte davon auszugehen sein, dass auch die Steuereinnahmen rückläufig wären. Eine Verknappung des Angebots an Glücksspielen würde einen Beitrag gegen diese Form der Sucht leisten. So war  zumindest die Argumentation bei der Reduzierung der Spielotheken durch Abstandsregeln, die nun eingeführt werden. Ein Blick auf die Entwicklung des gesamten Deutschen Glücksspielmarktes fördert jedoch genau das Gegenteil zu Tage. Betrugen die Einnahmen des Staates aus Steuern und Abgaben der Glücksspielbranche 2010 noch rund 4,7 Milliarden Euro so beliefen sich diese Gelder 2015 bereits auf bekanntlich rund 5,5 Milliarden Euro. Dies entspricht einem Zuwachs von rund 17 Prozent in 5 Jahren. Ebenfalls interessant an der Studie ist, dass in den Jahren 2006 bis 2010 das Steuer- und Abgabenaufkommen von rund 5,4 Milliarden Euro auf 4,7 Milliarden Euro sank und danach wieder anstieg. Hier lässt sich festhalten, dass in dem Zeitraum ohne Glücksspielstaatsvertrag, der erst 2008 in Kraft trat, die Einnahmen aus dem Glücksspiel sanken. Mit zeitlicher Verzögerung jedoch lässt sich wiederum ab dem Jahr 2010 ein rasanter Anstieg bis 2015 feststellen. Somit hat das Glücksspiel, trotz dem Kernpunkt Kampf gegen Spielsucht, zugenommen.

Nicht selten wird vermutet, dass das Argument Spielsucht gern als Feigenblatt verwendet wird. Denn noch immer ist der Staat der mit Abstand größte Anbieter von Glücksspielen. Doch mit dem Aufkommen der Online Casinos, privater Anbieter von Sportwetten und Zweitlotterien, sind dessen Produkte zunehmend unter Druck geraten. Deshalb kann hier auch vermutet werden, dass unter der Flagge des Schutzes nur unliebsame Konkurrenz vom Markt gedrängt werden soll.

Die Vergnügungssteuer aus Spielautomaten hatte sich in den letzten zehn Jahren vervierfacht

Um der Frage nachzugehen, ob ein so drastischer Eingriff in den Glücksspielmarkt, der zum Verlust zehntausender Arbeitsplätze führen wird, gerechtfertigt ist, lohnt sich ein Blick auf die verschiedenen Bereich des Glücksspiels und deren Wachstum. Bei den Lotterien lässt sich folgendes feststellen. Die Einnahmen aus der Lotteriesteuer sind seit dem Jahr 2010 relativ konstant geblieben und gegenüber 2006 sogar etwas zurückgefallen. Die Steuern aus den Klassenlotterien und dem Lotto- und Totoblock lagen 2015 ebenfalls unter der Marke von 2006, dafür aber gegenüber 2010 wiederum signifikant höher. Bei der Sportwettsteuer, die erst seit 2011 erhoben wird, ist ebenfalls ein Wachstum zu verzeichnen. Hier gibt es einen massiven Anstieg von rund 35 Millionen Euro 2012 auf rund 240 Millionen Euro in 2015 zu verzeichnen. Diese Steuer dürfte auch in den nächsten Jahren, aufgrund der Liberalisierung, noch deutlich stärker anwachsen. Als einzig relevanter Bereich, der sich in den letzten Jahren negativ bei den Steuern und Abgaben entwickelt hat, ist die Spielbankenabgabe. Also hauptsächlich staatlich betriebene Casino, die zu den Spielotheken in Konkurrenz stehen. Durch den härter werdenden Wettkampf mit Online Casinos und Spielstätten sanken hier Umsatzsteuer und Abgaben seit 2006 von gemeinsam fast 750 Millionen Euro auf nur noch rund 300 Millionen Euro in 2015. Genau gegenteilig hat sich dafür die Vergnügungssteuer aus Spielautomaten entwickelt, die sich aus Spielotheken und Automatenspielen in Gaststätten zusammensetzt. Hier kletterten die Einnahmen aus der Vergnügungssteuer von rund 200 Millionen Euro auf 837 Millionen Euro in 2015. Was eine Vervierfachung innerhalb des Zeitraums bedeutet. Dieser enorme Anstieg ist jedoch weniger auf eine gravierende Ausbreitung der Spielotheken zurückzuführen, da die Umsatzsteuer über den gesamten Zeitraum fast gleich blieb, sondern an der deutlich erhöhten Vergnügungssteuer.

Im Jahr 2006 wurden Spielautomaten und deren Betreiber mit noch durchschnittlich 7 Prozent an Vergnügungssteuer belastet. Im Jahr 2015 lag der Durchschnittswert bereits bei 14 Prozent. Dadurch entwickelte sich diese Art der Steuer zu einer der wichtigsten Einnahmequellen des Haushalts in den Kommunen. Der jetzt kommende Kahlschlag wird die Kommunen somit zusätzlich belasten. Das fehlende Geld wird dann nicht mehr den sozialen oder auch kulturellen Einrichtungen zur Verfügung stehen.

Die sozialen Kosten für die Spielsucht machen nur ein Bruchteil der Steuereinnahmen aus

Gerade im Hinblick der ganzen Diskussion um Spielsucht, deren Bekämpfung und den damit verbundenen Maßnahmen, lohnt es sich Steuereinnahmen und soziale Kosten ins Verhältnis zu setzen. Die Studie „Der Deutsche Glücksspielmarkt“ - Eine volkswirtschaftliche Betrachtung“ beruft sich in der Analyse auf verschiedenen Untersuchungen. Diese gehen von 103.000 bis 300.000 Menschen aus, die als pathologischen Glücksspieler bezeichnet werden und somit eine Spielsucht aufweisen. Sie stellen zwischen 0,24 und 0,64 Prozent der Bevölkerung dar. Wenn zusätzlich noch die Zocker mit einberechnet werden, die als problematische Glücksspieler zählen, erhöht sich dieser Wert auf bis zu 640.000 Menschen oder 1,24 Prozent der Bevölkerung. Doch wie hoch sind die sozialen Kosten, aus medizinischer Betreuung, Suchtprävention, Beschaffungskriminalität oder dem Verlust des Arbeitsplatzes tatsächlich. Hier zieht die Studie des Handelsblatt Research Institut eine Untersuchung von Tilman Becker aus dem Jahr 2011 heran. Laut diesen Berechnungen belaufen sich die sozialen Kosten auf insgesamt 326,1 Millionen Euro. Somit überwiegen die Steuereinnahmen, die wiederum der Allgemeinheit zu Gute kommen, bei weitem die sozialen Kosten die daraus entstehen. Trotz dessen wird die gesamte Glücksspielbrache weit härter von Seiten der Politik angegangen, als beispielsweise die Tabakindustrie. Nicht nur das jedes Jahr tausende Menschen an den Folgen der Tabaksucht sterben, auch die sozialen Kosten sind weit höher als die daraus resultierenden Steuereinnahmen. Hier stehen 14,9 Milliarden Euro an Steuern den geschätzten 20 bis 50 Milliarden an sozialen Kosten gegenüber.

Hier stellt sich die Frage, warum die deutsche Politik verschiedene Wirtschaftszweige und ihre möglichen Süchte so unterschiedlich behandelt. Obwohl die Tabaksucht für tausende Tote jedes Jahr verantwortlich ist, hat bisher noch niemand eine Abstandsregel für Tabakverkaufsstellen gefordert. Zudem sind es gerade die kleinen Geschäfte, die Zigaretten verkaufen, diejenigen die hauptsächlich die Glücksspielprodukte des Staates an die Zocker bringen, nämlich die guten, alten Lottoscheine.

Quelle: http://research.handelsblatt.com/assets/uploads/Gl%C3%BCcksspiel_Studie1_010417.pdf