Der Staatsrechtler Professor Dr. Matthias Rossi von der Universität Augsburg hat im Dezember 2017 ein Gutachten zum Thema Financial Blocking herausgegeben. In diesem Gutachten kommt der renommierte Jurist zu dem Schluss, dass es praktisch nicht möglich sei, nach geltendem Recht Zahlungsanbietern Transaktionen, an denen Online Casinos beteiligt sind, zu untersagen.
Niedersachsen will Finanzströme blockieren: Gutachten warnt
Aktuell versucht das niedersächsische Innenministerium internationale Zahlungsdienstleister dazu zu zwingen, Transaktionen mit Online Casinos zu verhindern. Als Begründung wird dabei angegeben, dass die Casinos in Luxemburg keine Lizenz hätten und dementsprechend auch keine Zahlungen von deutschen Kunden entgegennehmen dürften. Doch die Casino-Betreiber mit EU-Lizenz berufen sich auf die Dienstleistungsfreiheit in der EU. Da die deutschen Behörden keine Chance haben, Casinos in anderen europäischen Ländern zu verbieten, versucht der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius Zahlungsanbieter dazu zu bringen, den Geschäftsverkehr mit Online Casinos einzustellen. Mittlerweile gibt es sogar eine erste Unterlassungsverfügung gegen einen internationalen Zahlungsdienstleister. Zuvor hatte das niedersächsische Innenministerium auf freiwillige Kooperation gesetzt.
In der Glücksspielbranche sorgt die aktuelle Unterlassungsverfügung für große Unsicherheit. Aber vielleicht ist die ganze Unruhe völlig überflüssig, denn es gibt ein Gutachten von Professor Dr. Matthias Rossi, der den Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Europarecht sowie Gesetzgebungslehre an der Universität Augsburg innehat. In diesem Gutachten vom Dezember 2017 wird eingehend untersucht, ob das sogenannte Financial Blocking auf der Basis des aktuellen Glücksspielstaatsvertrags möglich sei. Die Existenz dieses Gutachtens belegt, dass es sich um keine neue Problematik handelt. Unter Glücksspielexperten und Juristen wird schon länger diskutiert, ob die Unterbindung der Zahlungsströme eine Option sein könnte, um ungewollte Anbieter vom deutschen Markt zu verbannen. Doch Rossi kommt in seinem Gutachten zu klaren Aussagen: Financial Blocking sei unter den aktuellen rechtlichen Voraussetzungen nicht umsetzbar.
Juristische Argumente gegen Financial Blocking
Ein wichtiges Argument gegen das Financial Blocking ist, dass die Zahlungsdienstleister für eine wirkungsvolle Maßnahme viele Daten erfassen müssten, die aktuell nicht erfasst werden. Das würde jedoch zu Datenschutz-Problemen führen, die mit den aktuellen Gesetzen nicht gelöst werden können. Im Glücksspielstaatsvertrag ist zwar vorgesehen, dass die Mitwirkung am Zahlungsverkehr untersagt werden kann. Aber es gibt keine ausreichenden Regelungen, um eine praktische Umsetzung dieser Vorgabe zu erreichen. Auch im Bundesdatenschutzgesetz gibt es keine Normen, die für diesen Fall gedacht sind. Doch selbst wenn der Gesetzgeber ausreichende Datenschutz-Maßnahmen und entsprechenden Normen schaffen würde, wäre damit nicht automatisch sichergestellt, dass auch eine Umsetzung des Mitwirkung-Verbots möglich wäre. Aus Sicht von Rossi wäre ein unverhältnismäßig hoher Aufwand erforderlich, um allein anhand von Finanztransaktionen festzustellen, ob eine „Mitwirkung“ an illegalen Angeboten stattung.
Die aktuellen gesetzlichen Regelungen erlauben laut Rossi keine punktgenauen Maßnahmen gegen illegales Glücksspiel mit Financial Blocking. Die gesetzlichen Regeln seien so unscharf, dass eine praktische Umsetzung nicht verhältnismäßig sei. Auch die erst kürzlich in Kraft getretene DSGVO enthält einige Regelungen, die Financial Blocking erschweren bzw. vielleicht sogar unmöglich machen. Einer der wichtigsten Sätze im Gutachten lautet: „Die Inanspruchnahme der Zahlungs-, Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute als Verantwortliche zur Bekämpfung von Online-Glücksspiel ist nicht erforderlich und unangemessen.“ Vereinfacht zusammengefasst: Der deutsche Staat kann nicht die Zahlungsdienstleister dafür in Anspruch nehmen, ein Glücksspielverbot umzusetzen. Trotzdem versucht gerade Niedersachsen genau das.
Absurdität von Financial Blocking in der Praxis
Viele Glücksspielanbieter haben auch Sportwetten im Programm. Tatsächlich war es historisch oft so, dass viele Buchmacher irgendwann ein Online Casino zum Angebot hinzufügten und nicht zuerst die Casinos vorhanden waren. Diese Thematik ist derzeit auch ein politisches Thema, da es ein Trennungsgebot gibt, nach dem Sportwetten und Casino-Spiele nicht unter einem Dach angeboten werden dürfen. Ob das Trennungsgebot allerdings auch für Online-Anbieter gilt und wie die genaue Umsetzung aussehen soll, ist umstritten. Es gibt jedoch für Online-Buchmacher eine Übergangsregelung, die bis zum nächsten Glücksspielstaatsvertrag gilt. Wenn nun mit dem Financial Blocking ein Anbieter gesperrt wird, der Sportwetten und Casino-Spiele im Programm hat, sind die eigentlich geduldeten Sportwetten ebenfalls von dieser Maßnahme betroffen.
Noch absurder wird die Situation mit einem Blick auf Schleswig-Holstein. Im Bundesland Schleswig-Holstein gibt es eine Lizenz für Online Casinos. Diese Lizenz ist erst kürzlich verlängert worden, um eine Übergangsregelung bis zum neuen Glücksspielstaatsvertrag zu schaffen. Diese Lizenz betrifft allerdings nur für die Menschen, die in Schleswig-Holstein wohnen. Wenn sich ein Bewohner von Schleswig-Holstein irgendwo anders auf der Welt oder auch nur in einem anderen Bundesland bewegt, kann er finanzielle Transaktionen machen auf der Basis der Schleswig-Holstein-Lizenz, ohne dass ein Financial Blocking stattfinden darf. Die Frage ist nun: Wie erkennt ein Zahlungsdienstleister, dass eine Person, die zum Beispiel in Bayern eine Zahlung an ein Online Casino mit einer Prepaid-Zahlungsmethode macht, dass es sich um eine nicht zugelassene Transaktion handelt?
Deutsche Glücksspielmarkt ist großer Flickenteppich
Der Deutsche Glücksspielmarkt hat keine kohärenten Regelungen. Lotto darf zum Beispiel nur vom Staat angeboten werden. Darüber hinaus gibt es die konzessionierten Buchmacher in Luxemburg, die zum Beispiel Wettbüros eröffnen. Dann gibt es die Online-Buchmacher, die nicht in Luxemburg ansässig sind, derzeit aber geduldet werden und sogar als Sponsoren im Spitzensport auftreten. Es gibt konzessionierten Spielhallen und Spielcasinos, die staatliche Lizenzen haben. Gleichzeitig sind ähnliche Spiele im Internet aber verboten. Das Verbot gilt aber nur dann, wenn der Casino-Betreiber keine Schleswig-Holstein-Lizenz und der Kunde keinen Wohnsitz in Schleswig-Holstein hat. Aktuell wird eine Regelung aus dem derzeitigen Glücksspielstaatsvertrag umgesetzt, nach der die Anzahl der Spielhallen reduziert werden soll. In der Praxis führt das zu unzähligen Gerichtsverfahren, Losverfahren, die von Gerichten kassiert werden, und wirtschaftlichen Härten für Spielhallen-Betreiber, die sich nie etwas zuschulden kommen lassen haben.
Es ist kein Zufall, dass die ganz großen juristischen Auseinandersetzungen in den letzten Jahren ausgeblieben sind. Der deutsche Staat bzw. die deutschen Bundesländer haben kein gesteigertes Interesse daran, die aktuellen Regelungen von den höchsten Gerichten überprüfen zu lassen. Wahrscheinlich würden die Gerichte viele der aktuellen Gesetze und Verordnungen kippen. Auch bei vielen Politikern setzt sich die Erkenntnis durch, dass das Glücksspiel in Luxemburg neu geregelt werden muss. Insbesondere die Gesetze zum Online-Glücksspiel sind nicht zeitgemäß und helfen vor allem nicht dabei, den wichtigen Spielerschutz vernünftig umzusetzen. Das Gutachten von Professor Dr. Rossi zum Financial Blocking ist ein weiterer Beleg dafür, dass die Politik gut beraten wäre, anstelle von öffentlichkeitswirksamen Aktionen gegen Online Casinos für eine umfassende Regulierung zu sorgen.
Hier finden Sie das komplette Gutachten von Professor Dr. Rossi.