Meine Welt ist rund. Und ich mach’ sie mir, wie sie mir gefällt. So, oder so ähnlich kann man wohl das Lebensmotto des kürzlich verstorbenen Star-Designers Luigi Colani beschreiben. Alles Eckige war ihm verhasst und durfte nicht sein, da es nicht der Natur entsprach, und auch nicht seinem Verständnis von Industriedesign, von Nutzbarkeit und Funktion. Umstritten war er. Nicht nur als Designer, oftmals auch als Mensch. Doch das hat den mit 91 Jahren nach schwerer Krankheit in Karlsruhe Verstorbenen nie wirklich gestört. Vielleicht war es ja auch das, was ihn mit Paul Gauselmann, dem Begründer der erfolgreichen Gauselmann Gruppe und jetzigen Vorstandssprecher, verband. Der Glaube an eine Vision, an einen Auftrag zum Wohle von vielen und der unbedingte Wille dies zu realisieren. Denn gern erinnert man sich in Espelkamp an die Zusammenarbeit zwischen dem Designer und dem Spielgerätehersteller. Im Jahr 1992 präsentierten sie der Weltöffentlichkeit auf der damals weltgrößten Fachmesse für Unterhaltungs- und Warenautomaten, der IMA, eine Designstudie für den Spielautomat der Zukunft. Die Symbiose aus modernster Technik und Ergonomie, die exakt auf die Bedürfnisse des Nutzers angepasst war, sollte als Vorbild für Generationen nachfolgender Spielgeräte dienen und fand in der Weltpresse ein großes Echo. Paul Gauselmann muss nun Abschied nehmen von einem Visionär, mit dem er noch lange nach der gemeinsamen Zusammenarbeit verbunden war. Seine Visionen verfolgt er aber weiterhin in der Welt des Glücksspiels. 

Gauselmann: Das Runde muss ins Eckige

Gauselmann SpielautomatenBeide waren bzw. sind Kinder der Nachkriegsgeneration: der 1928 in Berlin geborene Lutz Colani (wie er mit bürgerlichem Namen hieß) und Paul Gauselmann, der 1934 in Borghorst in Westfalen das Licht der Welt erblickte. Das hat sie bestimmt auf die ein oder andere Weise geprägt, auch wenn sie ganz unterschiedliche Wege gegangen sind. Luigi Colani kam schon sehr früh mit Kunst bzw. Gestaltung in Berührung. Seine Eltern, ein Filmarchitekt und eine Souffleuse, erzogen ihn zur Kreativität und gaben ihm anstatt Spielzeug eine Bastelkammer, in der er sich sein eigenes Spielzeug herstellen konnte. So verwundert es auch nicht, dass er zuerst Bildhauerei und Malerei an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin studierte, dies aber abbrach, weil seine Professoren ihm „nichts mehr beibringen konnten“. Er wechselte an die École polytechnique in Paris um dort Aerodynamik und Leichtbau zu studieren. Geprägt von seinem Zuhause in Berlin-Johannisthal, in unmittelbarer Nähe des Motorflugplatz Johannisthal-Adlershof, war er früh fasziniert von Technik und Maschinen. So führten ihn seine ersten Anstellungen auch zu einem Flugzeughersteller, Douglas Aircraft Company, und nachfolgend zu einem Automobilhersteller: Simca. In Berlin erlernte er bei einem Karosseriebauunternehmen die Grundlagen des Automobilbaus, die er nachfolgend bei Fiat, Alfa Romeo und Lancia erfolgreich umsetzte. Damit war seine Kreativität aber noch lange nicht ausgeschöpft und er weitete seine Designtätigkeiten auf Möbel und Gebrauchsgegenstände aus. In den 1960-iger und 1970-iger Jahren arbeitete er im westfälischen Rheda-Wiedenbrück für so namhafte Hersteller wie z.B. Poggenpohl. Seine Kugelküche „experiment 70“, die er für den Hersteller auf der Internationalen Möbelmesse 1970 in Köln präsentierte, dokumentierte auf bis heute einzigartige Art und Weise seine Vorstellung von Funktionalität und Design und gilt als immer noch stilgebend. Auf einem Drehstuhl erreichte man alle Gerätschaften und Schrankfächer.

Wahrheit in einer Welt der Lüge

Die nachfolgenden knappen zehn Jahre kann als eine der erfolgreichsten und kreativsten Phasen im Leben des Designers angesehen werden. In seinem neu geschaffenen Designzentrum auf Schloss Harkotten in Westfalen, versammelte er viele junge Designabsolventen um sich herum, um in Teams Aufgaben aus allen Bereichen zu bearbeiten und zu lösen. Die Designfactory wurde zu so etwas wie einem „Wallfahrtsort“ der Industrie für außergewöhnliches Design. Damit wuchsen aber auch die Probleme. Der streitbare Designer, der mit seiner herben, oftmals für andere auch verletzenden Sprache sich nicht nur Freunde machte, wollte sich den Vorgaben seiner Industriekunden nicht anpassen. „In manchen Fällen [habe ich] sicher [meine Wortwahl bereut], weil mir sehr oft Jobs durch die Lappen gegangen sind, da ich den Leuten die Wahrheit auf den Kopf zu sagte. In einer Welt der Lüge ist es eine höchst gefährliche Sache, die Wahrheit zu sagen.“

Der Ferne Osten ruft

Colani hatte sich schon Mitte der 70-er Jahre mit dem asiatischen Markt und deren Kultur beschäftigt und zog als Konsequenz aus seiner Meinung nach einer rückständigen europäischen Industrie – was Design betraf – nach Japan. Dort arbeitet er für mehrere Hersteller technischer Gebrauchsgüter wie z.B. Canon, Sony und Mazda. Für Canon entwarf er in dieser Zeit die legendäre Spiegelreflexkamera T90. Dem asiatischen Raum blieb er auf immer verbunden, ob es nun durch Gastprofessuren oder verschiedenste Projekte war. Zu seinem „Lebenswerk und Vermächtnis“ sollte die in China geplante Eco-City werden, die ohne fossile Brennstoffe zu verbrauchen, Raum für über 50.000 Forscher bieten sollte. 

Ein Vermächtnis für ewig

Viele seine Ideen und Designentwürfe konnte der gebürtige Berliner nie umsetzen. Einige begleiten uns heute immer noch, wie z.B. die Uniformen der Hamburger Polizei, die von vielen anderen übernommen wurden. Ob er auch jemals für das Design von Computerspielen oder dem Auftritt von Online Casinos verantwortlich zeichnete hat, ist nicht bekannt. Wenn, dann wären sie in ihrem Aussehen und in ihren Funktion sicherlich „irgendwie“ rund gewesen – zumindest die Display-Ansicht. Der Mann mit der großen Schnauze und dem großen Schnurrbart, der gerne provozierte und sich nicht von seinen Visionen abbringen ließ, hat Spuren hinterlassen – nicht nur in der Gauselmann Gruppe.