Die KI Pluribus hat in einem aufsehen erregenden Experiment gegen fünf Pokerprofis gewonnen. Beim 6-Personen-Poker in der Variante Texas Hold‘em gelang es der künstlichen Intelligenz, einen klaren Vorteil zu erzielen. Das aktuelle Experiment wird vielleicht irgendwann in den Geschichtsbüchern stehen als Grund dafür, dass Online Poker ein Ende fand.

PokerKünstliche Intelligenz schlägt menschliche Gegner

Der Computerwissenschaftler Noam Brown von der Carnegie Mellon University leitete im Rahmen seiner Doktorarbeit die Entwicklung einer künstlichen Intelligenz, die dazu in der Lage sein sollte, im 6-Personen-Poker alle menschlichen Gegner zu schlagen. In der Vergangenheit hat es bereits künstliche Intelligenzen in gegeben, die gegen Pokerprofis im Heads-up erfolgreich waren. Auch an Tischen mit bis zu drei Spielern gelang es bereits einer KI, Pokerprofis zu schlagen. Aber es ist deutlich schwieriger, eine KI für einen Tisch mit sechs Teilnehmern zu entwickeln. Doch auch dieses Problem ist jetzt gelöst. In einem aktuellen Experiment konnte die KI Pluribus sich gegen fünf Pokerprofis durchsetzen. Im Rahmen des Experiments wurden 10.000 Hände innerhalb von zwölf Tagen gespielt. Am Ende setzte sich Pluribus klar durch. Das ist ein großer Erfolg für die Entwickler und ein großer Schock für die Pokeranbieter im Internet. Vielleicht wird es demnächst keinen Online-Poker, sondern nur noch mobile Casinos und Sportwetten im Netz geben.

Damit die KI gegen die menschlichen Gegner gewinnen konnte, musste ein langer Vorbereitungsprozess durchgeführt werden. Zunächst spielte Pluribus gegen Pluribus, um grundlegende Strategien zu entwickeln. Im zweiten Schritt ging es dann darum, gegen menschliche Gegner über einen längeren Zeitraum Anpassungen zu entwickeln. Die Anpassungen geschehen automatisch beim Spielen. Die KI funktioniert so, dass ständig nach der besten Strategie in einer aktuellen Situation gesucht wird. Dabei werden nicht einfach irgendwelche bekannten Algorithmen abgerufen. Vielmehr ist die KI dazu in der Lage, neue Algorithmen und Strategien zu entwickeln. Dadurch ist Pluribus fähig, mit jedem Spiel besser zu werden. Am Ende war die Qualität der KI so hoch, dass die Pokerprofis keine Chance mehr hatten. Das ist ein bemerkenswertes Ergebnis und es ist jetzt schon absehbar, dass es in naher Zukunft Nachfolger von Pluribus geben wird, die in allen Pokervarianten mit beliebig vielen menschlichen Gegnern erfolgreich sein werden.

Forschung nicht in erster Linie für Poker

Die KI-Forscher mögen Poker, denn es handelt sich um ein Spiel mit einfachen Regeln und unendlich vielen strategischen Möglichkeiten. Da Poker ein Spiel ist, bei welchem dem Spieler nicht alle Informationen zur Verfügung stehen, ist es nicht möglich, Algorithmen für alle Situationen zu kreieren. Beim Schach ist das zum Beispiel anders, denn ein Schachcomputer wird letztlich nur durch die Rechenleistung begrenzt. Theoretisch wäre es beim Schach möglich, alle Varianten bis zum Ende durchzurechnen. Die Schachcomputer schlagen schon seit einigen Jahren sämtliche Großmeister, da die Rechenkapazität mittlerweile so hoch ist, dass kein menschliches Gehirn mithalten kann. Die besten Schachcomputer finden bessere Lösungen als alle menschlichen Gegner. Aber Poker ist ein deutlich schwierigeres Spiel für einen Computer. Deswegen muss eine künstliche Intelligenz vorhanden sein, die Strategien lernt und auch ohne alle Informationen richtige Entscheidungen treffen kann.

Die Forscher arbeiten daran, künstliche Intelligenzen zu entwickeln, die für viele verschiedene Probleme eingesetzt werden können. Beispielsweise wäre es möglich, eine künstliche Intelligenz einzusetzen, um den Verkehr zu steuern. Auch für Sicherheitssysteme und selbststeuernde Fahrzeuge wird die künstliche Intelligenz sehr wichtig werden. An den aktuellen Ergebnissen wird deutlich, wie fortgeschritten die Systeme bereits sind. Noch handelt es sich um Forschungsprojekte, aber wahrscheinlich werden demnächst kommerzielle Systeme verfügbar sein, die jeder Pokerspieler nutzen kann. Das wäre ein großes Problem für alle Pokeranbieter im Internet. Poker lebt vor allem davon, dass Menschen gegen Menschen spielen und niemand immer perfekte Entscheidungen trifft. Aber im Spiel gegen eine KI ist das anders.

Künstliche Intelligenz könnte Online-Poker beenden

Online-Poker ist sehr beliebt. Auch wenn der ganz große Boom vorbei ist, gibt es doch viele Menschen auf der ganzen Welt, die gerne Poker im Internet spielen. Grundsätzlich geht es immer darum, gegen andere Menschen zu spielen. Aber Online-Poker hat den eingebauten Nachteil, dass der Spieler nicht wirklich erkennen kann, ob auf der anderen Seite ein Mensch ist. Teilweise wird dieses Problem dadurch gelöst, dass Webcams genutzt werden. Aber in der Regel findet ein relativ anonymes Spiel statt, bei dem die Spieler nur die Usernamen angeben müssen. Wenn es KI-Systeme gibt, die sich jeder leisten kann, wird es früher oder später auch Pokerspieler geben, die diese Systeme nutzen werden, um Online-Poker zu spielen. Im einfachsten Fall würde dies bedeuten, dass der Spieler direkt neben sich einen Laptop mit einer KI hat, die alle Entscheidungen stellvertretend für ihn trifft. Der Pokeranbieter hätte wahrscheinlich keine Chance, den Einsatz der KI zu erkennen. Auch für die anderen Spieler wäre es nicht ersichtlich, dass ein Spieler nicht mit dem eigenen Kopf denkt.

Es ist schwer vorstellbar, dass Online-Poker langfristig überleben kann, wenn leistungsstarke KI-Systeme auf den Markt kommen. Allerdings wird Poker wahrscheinlich niemals uninteressant werden, denn die Online-Pokerprofis werden in diesem Fall in die landbasierten Casinos ziehen. Aber für die vielen Pokerfans auf der ganzen Welt, die in ihrer Freizeit um kleine Beträge spielen, könnten die KI-Systeme zum Spielverderber werden. Vielleicht werden die Casinos auch Möglichkeiten finden, die neue KI-Technologie wirksam zu bekämpfen. Aber anders als zum Beispiel bei Glücksspielen und Sportwetten ist die künstliche Intelligenz beim Poker tatsächlich dazu in der Lage, dem Spieler einen echten Vorteil zu verschaffen. In jedem Fall wird es spannend sein zu beobachten, wie die Entwicklung beim Online-Poker in den nächsten Jahren verlaufen wird. Noch ist es wahrscheinlich möglich, ohne KI-Beeinflussung Poker zu spielen im Internet. Aber niemand weiß, wie lange das noch der Fall sein wird. Ob unsere Freunde von den Pokerstars sich darüber freuen würden, können wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen.  Hier der Artikel im Spiegel Luxemburg!