In Österreich überschlägt sich alles. Vor wenigen Tagen erst fanden Razzien statt – unter anderem bei zwei ehemaligen Finanzministern. Bei der ÖBAG (staatliche Beteiligungsgesellschaft), bei Thomas Schmidt (Chef der ÖBAG), bei dem ehemaligen Finanzminister Hartwig Löger sowie bei Walter Rothensteiner (Aufsichtsratschef von Casinos Austria AG) und seinem Stellvertreter Josef Pröll gab es Hausdurchsuchungen. Die Herren Rothensteiner, Pröll, Löger und Schmidt werden inzwischen als Beschuldigte geführt. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelte auch schon gegen den FPÖ-Obmann und ehemaligen Vizekanzler Heinz-Christian Strache, den Ex-Klubchef der FPÖ Johann Gudenus und einige Verantwortungsträger beim Novomatic-Konzern. Bis auf Weiteres gilt selbstverständlich für alle soeben genannten die Unschuldsvermutung. 

Soeben wurden auch noch angebliche Chat-Verläufe der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, die u.a. von Strache und Löger stammen. 

Die Vorwürfe wiegen schwer | Auch Novomatic?

Peter SidloImmer mehr kuriose Details kommen ans Licht. Da soll es beispielsweise eine Aktennotiz von Walter Rothensteiner geben, die der „Presse“ vorliegt. Darin heißt es „... (Löger) hat mit Johann Graf (alleiniger Aktionär und Gründer von Novomatic) konferiert, der hat irgendeinen Hintergrunddeal mit den Blauen. Daher ist Sidlo ein Muss. Alternativkandidaten von Neumann gibt es nicht mehr. Graf will es nicht. Habe Löger gesagt, dass ich damit eigentlich meine Funktion überdenken muss. Versteht er, bittet mich, ihn zu verstehen. Er wird mit Pröll und Sazka reden, damit wir einstimmig bestellen können. Ich rede mit Steiner.“ 

Steiner, alias Raimund Steiner, ist ein enger Mitarbeiter des Personalberaters Egon Zehnder, dessen Firma von der Casinos Austria AG den Auftrag erhalten hatte, mögliche Kandidaten für den Vorstandsposten zu beurteilen.

Löger wehrte sich und wies sämtliche Vorwürfe entschieden zurück: „Die Anschuldigungen entbehren jeglicher Grundlage. Ich sehe die freiwillige Nachschau und die damit verbundenen Vorwürfe gelassen und werde daher selbstverständlich vollinhaltlich mit den Behörden kooperieren, damit sich diese absurden Vorwürfe möglichst bald in Luft auflösen.“ Hierbei geht es immer noch um den Ex-FPÖ-Bezirksrat Peter Sidlo, der von der ÖVP-FPÖ-Regierung im auf den Posten des Finanzvorstands der Casinos Austria AG gehievt wurde, und das, obwohl der renommierte Personalberater Zehnder seine Eignung erheblich anzweifelte. 

Kurz nach dieser Expertise flatterte eine anonyme Anzeige ins Haus, in der es hieß, dass es nur aufgrund eines Novomatic-FPÖ-Deals zu der Bestellung Sidlos als Finanzchef kam. Darüber hinaus wurde in der Anzeige der Vorwurf erhoben, dass „sich die FPÖ als Dank für die Bestellung künftig für Lockerungen im Glücksspielgesetz einsetzen soll“. Derartige Absprachen wurden sowohl von Novomatic, als auch von der FPÖ heftig dementiert. Und dennoch gab es damals Hausdurchsuchungen beim ehemaligen FPÖ-Chef Strache, bei Gudenus, bei Novomatic-Boss Harald Neumann sowie bei Peter Sidlo selbst. Außerdem gab es eine „Nachschau“ der Ermittler im Finanzministerium.

ÖBAG angeblich nicht betroffen

Sidlo wurde Anfang September für unbestimmte Zeit in den bezahlten Urlaub geschickt (bestecasinos.lu berichtete), und seitdem findet auch bei den Casinos Austria AG eine interne Untersuchung des Falls statt. Sidlo hat übrigens sein Mandat als Generalrat der Nationalbank zurzeit ebenfalls „ruhend gestellt“. 

Bis Ende November soll dieser interne Untersuchungsbericht vorliegen. Bettina Glatz-Kremsner, die Generaldirektorin der Casinos, setzt weiterhin ihr volles Vertrauen in Sidlo: „Ich gehe davon aus, dass er sich nichts zuschulden kommen hat lassen, und dass er Anfang Dezember wieder im Unternehmen sein wird.“

Unterdessen ist die ÖBAG, die ein Drittel der Anteile an der Casinos Austria AG hält, bemüht, ihr Image gerade zu biegen. In einer Aussendung machte die Staatsholding deutlich, dass weder die ÖBAG, noch die ÖBIB (die Vorgängergesellschaft) an der Vorstandsbestellung Sidlos beteiligt waren und daher keinesfalls als Beschuldigte betroffen sind. Sämtliche Unterlagen hätten die Gesellschaften freiwillig den Behörden ausgehändigt und die Kooperation mit den Ermittlern liefe einwandfrei und vollinhaltlich.   

Casinos Austria: „Erzähl ihm halt, wie toll ich bin!“

Noch brisanter wird die „Causa Casino“ durch angebliche Chats, die am vergangenen Sonntagabend vom „Falter“ veröffentlicht wurden. Die mutmaßlichen Urheber sollen Heinz-Christian Strache und Hartwig Löger sein. Und wieder geht es um die Bestellung Sidlos, der dem „Falter“ nach ein Monatsgehalt (inklusive sämtlicher Bezüge) von knapp 58.000 Euro brutto erhalten haben soll. Der Verdacht der Untreue, des Postenschachers, des Amtsmissbrauchs und der Bestechung stehen im Raum. Um weitere Hinweise auf diesen Personaldeal zu finden wühlt sich die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft im Moment durch etliche SMS-, iMessage- und WhatsApp-Chats. 

Brandaktuell sind Ausschnitte aus der angeblichen Chat-Kommunikation unter den Beteiligten, die der „Falter“ soeben publizierte und die sich abenteuerlich lesen.

„Lieber Hartwig! Herzlichen Dank für Deine Unterstützung bezüglich CASAG! Lg HC“. Das scheint der damals amtierende FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache an den ebenfalls damals amtierenden Finanzminister der ÖVP, Hartwig Löger, getextet zu haben. Als Antwort erhielt er ein „Daumen hoch“-Symbol.

Bevor es zu Gesprächen mit einem Headhunter und Casinospezialisten kam, sollen auch Strache und Sidlo regelmäßig kommuniziert haben. „Erzähl ihm halt, wie toll ich bin,“ hat Sidlo auf Straches Frage geantwortet, sofern Strache nach Sidlos Eignung gefragt werden sollte. Da Strache diese Antwort nicht ausreichend war, empfahl ihm Sidlo einen Text: „...teamorientiert, werteorientiert, verbindlich, verlässlich, loyal,... kann Teams führen (z.B. Klub im Bezirk).“ Auch auf diese Textnachricht folgte das „Daumen hoch“-Symbol. 

Kurz darauf erhielt Strache offenbar folgende Nachricht von Sidlo: „Ist eh alles auf Schiene?“ Prompt fragte der damalige Vize-Kanzler bei Löger nach: „Lieber Hartwig! Bezüglich Casino-Vorstand ist Peter Sidlo auf Schiene? Danke für Deine Unterstützung!“

Dann ging alles Ruck Zuck: Sidlo bekam seinen Vorstandsposten, Millionenbeträge flossen in die Auflösung des alten Vorstands, im PC des Aufsichtsratschefs der Casino Austria AG wurde „ein Hintergrund-Deal mit den Blauen“ vermerkt und ein erstes Treffen kam zustande, das sich voll und ganz um ein neues Glücksspielgesetz drehte. 

Und parallel gehen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in die nächste Runde.