Vielleicht wird Weihnachten ja in diesem Jahr um drei Monate vorgezogen. So scheinen es jedenfalls die Bundesländer Berlin, Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Bayern zu wollen, die nun nach zähen Verhandlungen einen sogenannten Umlaufbeschluss errungen haben, durch den das Online Glücksspiel bereits zum 1. Oktober dieses Jahres geduldet werden soll. Vollzogen werden soll dieser Beschluss auf Basis des neuen Glücksspielstaatsvertrags, der allerdings erst am 1. Juli 2024 in Kraft tritt. Natürlich nur, wenn alles so klappt, wie vorgesehen. Denn offenbar ist den Vertretern der Senats- und Staatskanzleien völlig entgangen, dass der neue Glücksspielstaatsvertrag zuvor noch durch die einzelnen Länderparlamente ratifiziert werden muss. Zudem ist auch die Stillhaltefrist noch gar nicht abgelaufen, die das EU-Notizifizierungsverfahren vorsieht. Derzeit bestehen berechtigte Zweifel, dass dieser neue Glücksspielstaatsvertrag jemals gültig sein wird, da eine Reihe von gravierenden Verstößen gegen das Unionsrecht vorliegen.

Ist der neue Glücksspielstaatsvertrag unionsrechtswidrig?

Glücksspiel StaatsvertragDer neue Glücksspielstaatsvertrag sieht eine grundsätzliche Reform der alten Gesetzgebung und damit auch eine Legalisierung des Online Glücksspiels vor - wenn auch unter strengen Auflagen. Hinsichtlich des Online Casinospiels dürfen die Bundesländer beispielsweise selbst entscheiden, ob sie diese in Eigenregie anbieten oder Konzessionen an private Anbieter ausgeben, bzw. ganz verbieten. Hier besteht eine Parallelität zum terrestrischen Bereich. Dabei wird unterschieden zwischen Spielbanken, die Casinospiele anbieten und Spielhallen, die lediglich Automaten aufstellen. Die Anzahl der jeweiligen Konzessionen für Online Casinos beschränkt sich hierbei auf die Anzahl realen Spielbank-Konzessionen.Nun kommt das EU-Recht ins Spiel, gegen das dieses Konzessionsmodell wegen der festgelegten Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) eindeutig verstößt. Denn sofern sich ein Bundesland dafür entscheidet, Online Casinos ausschließlich selbst anzubieten, macht es privaten Online Casino Unternehmen eine dortige Niederlassung unmöglich. Auch die Konzessionserteilung beschränkt die Niederlassungsfreiheit, da nur vereinzelte Unternehmen Zugang zum Markt bekommen und andere nicht. Europarechtswidrig ist das Konzessionsmodell auch deshalb, weil es gegen die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) verstößt. Man muss in diesem Kontext sogar von Diskriminierung sprechen, wenn beispielsweise Anbieter aus anderen Mitgliedsstaaten der EU mit ihren Dienstleistungsangeboten in Luxemburg ausgeschlossen werden.

Schleswig-Holsteins vorbildlicher Sonderweg

Als einziges deutsches Bundesland geht Schleswig-Holstein seit 2011 einen Sonderweg, indem es das Online Glücksspiel erlaubt. Der Erfolg gibt den Norddeutschen Recht, denn weder stieg die Zahl der sogenannten Problemspieler, noch kam es zu Fällen von Manipulation o.ä. Die Differenzierung von einzelnen Online Glücksspielarten ist in Schleswig-Holstein nicht vorgesehen. Dort wird nur zwischen Casinospielen, Wetten und Lotterien unterschieden. Jedes Online Casino mit Sitz in der EU kann eine Genehmigung erhalten, sofern es die erforderliche Lizenzierung, Sachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit besitzt. Nun muss die Frage erlaubt sein, weshalb beim Beschluss zum neuen Glücksspielstaatsvertrag niemand einen Blick zu den nordischen Nachbarn gewagt hat. Außerdem fehlt ein Nachweis darüber, dass diese „marktfragmentierende Differenzierung“ notwendig ist, schließlich beschneidet sie die europäischen Grundfreiheiten.

Fehlerhafte Gleichbehandlung von terrestrischem und Online-Glücksspiel

Im neuen Glücksspielstaatsvertrag wird klar zum Ausdruck gebracht, dass ein staatliches Monopol für Online Glücksspiel nicht notwendig ist. Im Gegensatz zu den terrestrischen Spielbanken müssen durch den Online Anbieter sämtliche Online Casino Spiele aufgezeichnet werden, um sie ggf. auf Auffälligkeiten zu überprüfen. Dies dient unter anderem der Manipulationsvorbeugung. Und hier lohnt abermals ein Blick nach Schleswig-Holstein. Die Test Erfahrungen der Nordlichter haben gezeigt, dass im Online Glücksspiel bisher keinerlei Manipulationen festgestellt wurden. Was die sogenannten Glücksspielstörungen betrifft, sind die Verantwortlichen des neuen Glücksspielstaatsvertrags auf einem veralteten Forschungsstand stehengeblieben. Sie missachten, dass ein komplexer Zusammenschluss unterschiedlicher Faktoren und der Eintritt bestimmter Ereignisse eine Glücksspielstörung hervorrufen können. Dies ist durch das Online Zocken genauso möglich, wie durch eine einzige Lotterie-Teilnahme.  

Das vorliegende Konzessionsmodell kann auch nicht zugunsten des Spielerschutzes gefordert werden. Schließlich ist das terrestrische Spiel in Spielbanken und Spielhallen deutlich gefährlicher, als das Online Spiel, welches eine Reihe von Maßnahmen beschränkt. Dafür bietet es aber eine umfassende Analyse des jeweiligen Spielerverhaltens. Deutliche Defizite findet man hingegen im terrestrischen Bereich. Eine vermeintliche Kontrolle durch das Personal der Spielhallen und mangelnde technische Voraussetzungen lassen einen Spieler mit Glücksspielstörung nur sehr schwer erkennen. Daher muss festgestellt werden, dass die Gleichbehandlung von Online- und terrestrischem Glücksspiel ausgesprochen fehlerhaft ist. 

Umlaufbeschluss mit problematischer vorzeitiger Duldung

Der eingangs angesprochene Umlaufbeschluss Nordrhein-Westfalens, Hamburgs, Bayerns und Berlins sowie seine vorzeitlichen Duldungen sollen offenbar einen Zustand herbeiführen, der sowohl wettbewerbswidrig ist, als auch gegen das EU-Recht verstößt. Es macht den Anschein, als wollte die deutsche Politik nicht abwarten, bis die Stillhaltefrist im Notifizierungsverfahren der EU abgelaufen ist. Auch auf die Ratifizierung durch die Länder scheint niemand mehr warten zu wollen. Stattdessen wird wohl ein europarechtswidriger Beschluss in die Tat umgesetzt. Der bislang bestehende Markt wird durch diese vorzeitige Duldung zerschlagen, und es wird sich eine große Verunsicherung breitmachen. Auch die Spiele- und Softwarehersteller, werbetreibende Unternehmen und andere sogenannte Zulieferer werden von dieser Duldung überrascht. Sie haben kaum eine Möglichkeit, sich so schnell auf die plötzlich veränderten Bedingungen am Markt einzustellen. Auch Online Casino Spiele werden in dem vorliegenden Duldungsbeschluss ganz klar ausgeklammert. Und das, obwohl noch keine Entscheidung der einzelnen Bundesländer vorliegt, ob nun der Betrieb von Online Glücksspiel privaten oder staatlichen Anbietern überlassen werden soll.