Die Schlagzeilen im Bilanzskandal rund um Wirecard nehmen kein Ende. Eine Meldung jagt die nächste, und ein Ende ist nicht abzusehen. Auch manche Kunden einiger seriöser Online Casinos sind indirekt von dem Betrug betroffen. 

Nachdem Ex-Wirecard Chef Markus Braun verhaftet, wieder freigelassen und innerhalb von vier Wochen zum zweiten Mal in Untersuchungshaft genommen wurde, ging es auch zwei weiteren Vorstandsmitgliedern des jüngst kollabierten börsenorientierten Finanzdienstleisters an den Kragen. Sie alle sitzen derzeit fest. Auch gegen Kaution sollen sie nicht wieder auf freien Fuß gesetzt werden. Gewerbsmäßiger Bandenbetrug wird den ehemaligen Top-Managern von der Staatsanwaltschaft München vorgeworfen. Die aktuelle Spurensuche konzentriert sich nun auf Jan Marsalek. Das ehemalige Wirecard Vorstandsmitglied gilt derzeit als Hauptverdächtiger. Er befindet sich seit Ende auf der Flucht und wird mit internationalem Haftbefehl gesucht.Fragen nach einer indirekten Verantwortung muss sich natürlich auch die deutsche Finanzaufsicht stellen. Die zuständige Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) arbeitet derzeit auf Hochtouren. Sie will die Kontrollen deutlich verbessern und insgesamt mehr in den Vordergrund rücken.

Neuer BaFin-Aktionsplan sieht zahlreiche Reformen vor

WirecardDie deutsche Regierung steht dank Wirecard gehörig unter Druck. Sie muss auf die Schnelle Konsequenzen aus dem Bilanzskandal ziehen. Damit weiteren Wirtschaftsverbrechen von einem solchen Ausmaß Einhalt geboten wird, hat das Bundeswirtschaftsministerium in nur wenigen Wochen eine Arbeitsgruppe aus dem Boden gestampft, die nun 16 Vorschläge entwickelte. In erster Linie geht es darum, dass die BaFin in Zukunft mehr Befugnisse zugesprochen bekommt, dass strengere Regeln für Wirtschaftsprüfer zum Tragen kommen und dass der Austausch von Informationen optimiert wird.

Im Moment sieht es so aus, als fände ein größerer Umbruch bei der Finanzbehörde statt. Eine Aufstockung des Personals scheint ebenfalls angedacht zu sein. Der Präsident der BaFin, Felix Hufeld, versichert, dass seine Behörde für die „Wirecard AG als Technologiekonzern“ gar nicht zuständig gewesen sei. Erst nachdem die BaFin bei der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) eine Bilanzprüfung in Auftrag gegeben hatte, durfte sie nach der entsprechenden Stellungnahme der DPR eigenständig tätig werden. Dieses Zweistufen-Verfahren soll nun der Vergangenheit angehören. In dem Entwurf heißt es: „Die BaFin benötigt ein Sonderprüfungsrecht gegenüber allen kapitalmarktorientierten Unternehmen einschließlich Auskunftsrechte gegen Dritte, die Möglichkeit forensischer Prüfungen sowie das Recht, die Öffentlichkeit früher als bisher über ihr Vorgehen bei der Bilanzkontrolle zu informieren". Was in diesem Fall aus der DPR wird, ist allerdings unklar. „Es ist noch zu prüfen, ob eine "privatrechtlich organisierte Prüfstelle" wie die DPR eine Funktion übernehmen kann“, heißt es weiter. Damit bleibt die Zukunft der DPR offen. Laut dem vorliegenden Aktionsplan und der angedachten Reform könnte sich die BaFin künftig zu einer Art „Bilanzpolizei“ entwickeln.

Auch Wirtschaftsprüfer auf dem Prüfstand

Das Prinzip der Rotation sieht vor, dass Versicherungen und Banken spätestens nach Ablauf von zehn Jahren ihre Prüfer austauschen müssen. Unternehmen, die nicht zur Finanzbranche zählen, „...müssen alle zehn Jahre das Mandat neu ausschreiben, wobei dieselbe Prüfgesellschaft maximal 20 Jahre mandatiert sein darf“. So sind die aktuell geltenden Regeln. Dies soll geändert werden. Sämtliche Unternehmen „von öffentlichem Interesse“ sollen bereits „... nach einer Dekade ihre Prüfer wechseln“. Dazu gehören Firmen, Konzerne und größere Gesellschaften, die an die Börse gegangen sind.  Dadurch wird sich aller Voraussicht nach auch das Haftungsrisiko der Wirtschaftsprüfer deutlich erhöhen. Man spricht bereits davon, dass „... die Bundesregierung die zivilrechtliche Haftung auf den Prüfstand stellen“ will. Hinzu kommt laut Entwurf, dass den Prüfern untersagt wird on top auch noch Berater zu sein. Dies scheint sich vor allen Dingen gegen die „Top Four“ des Geschäftszweiges zu richten. KPMG. PxC, Deloitte und EY sind Branchenriesen, die neben der Wirtschaftsprüfung auch noch Steuer- und Rechtsberatung im Programm haben - eben all das, was ihre Kunden so benötigen. Hier steht insbesondere EY im Fokus. Das Unternehmen testierte über zehn Jahre lang die Bilanzen der Wirecard AG, konnte allerdings keine Unregelmäßigkeiten feststellen und erst recht nicht den groß angelegten Betrug aufdecken.

Die wichtigste Forderung lautet: „Mehr Biss!“

In Luxemburg gibt es derzeit an die 13.000 Abschlussprüfer. Sie alle müssen in Zukunft mit einer strengeren Kontrolle rechnen. Der Entwurf fordert „mehr Biss“ für die Abschlussprüfer-Aufsichtsstelle (APAS), die dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle untersteht. Ganz offensichtlich mangelt es der APAS bisher an diesem nötigen „Biss“. Darüber hinaus fordert der Aktionsplan, dass die Beamten der APAS in Zukunft ohne Anlass und „risikobezogen“ prüfen dürfen. Außerdem soll der kommunikative Austausch mit Behörden wie u.a. der BaFin verbessert werden. Aktuell herrschen hierfür noch sehr eng gesteckte Grenzen.

Etwas zurückhaltender wurden in dem Entwurf einige andere Abschnitte formuliert. EU-weit sei schließlich das Zahlungsverkehrsrecht „voll harmonisiert“, was den nationalen Regierungen den Handlungsspielraum entzieht, heißt es. Das soll sich nun ändern, indem sich die Bundesregierung auf EU-Ebene dafür einsetzt, die sogenannten „... Ausnahmen für technische Dienstleister im Zahlungsverkehr zu überprüfen“. Hierbei liegt der Fokus insbesondere auf dem Partnergeschäft mit Dritten, bei dem die Abwicklung von Kreditkartenzahlungen durch den Finanzdienstleister an Dritte ausgelagert wird.

Der Wirecard-Fall hat gezeigt, dass es jahrelang möglich war, Gewinne mit sogenannten Dritt-Partnern auf den Philippinen, in Singapur und Dubai auszuweisen, die lediglich auf dem Papier existent waren. Die aktuellen Erkenntnisse der Münchner Staatsanwaltschaft decken zudem auf, dass Wirecard schon in 2015 Verluste erwirtschaftete, und dass der Umsatz des Konzerns zur Hälfte frei erfunden gewesen ist. Da sie nur für die Konzerntochter „Wirecard Bank“ zuständig war, fehlte der BaFin bei diesen Geschäftspraktiken der Überblick. Nun will die Bundesregierung sichergestellt wissen, dass „... "das Erbringen von Zahlungsdienstleistungen weltweit adäquat beaufsichtigt wird". Hierfür soll der Finanzstabilitätsrat das Forum bilden.

Ein weiterer Punkt des Aktionsplans befasst sich mit der Bekämpfung von Geldwäsche. Hauptkritikpunkt ist das Meldewesen. In Zukunft soll die Kooperation von BaFin und der Financial Intelligence Unit (FIU) beim Zoll intensiviert werden. Außerdem geht es um eine engere Abstimmung hinsichtlich der Geldwäschebekämpfung zwischen Landes- und Bundesbehörden.