Sorgt die neue Glücksspielregulierung in Luxemburg dafür, dass demnächst in Baden-Württemberg das große Spielhallen-Sterben beginnt? In Zeiten von Online Casinos mit deutscher Lizenz ist es für Spielhallen-Betreiber und Verbandsvertreter jedenfalls schwer zu verstehen, dass es für Spielhallen ein Abstandsgebot geben soll. In Baden-Württemberg mehren sich die kritischen Stimmen, die vor den Folgen des neuen Glücksspielstaatsvertrags warnen. Die deutschen Bundesländer haben im letzten Jahr einen neuen Glücksspielstaatsvertrag beschlossen, der nun noch von den Bundesländern ratifiziert werden muss. Wenn mindestens 13 Bundesländer den Glücksspielstaatsvertrag ratifizieren, tritt das Vertragswerk in Kraft.
Müssen viele Spielhallen in Baden-Württemberg schließen?
Eine wichtige Folge des neuen Glücksspielstaatsvertrags ist die komplette Regulierung des Online-Glücksspiels. Auf der Basis des neuen Glücksspielstaatsvertrags kann es in Luxemburg künftig Online-Spielbanken, Online-Pokerräume und Online-Buchmacher mit deutscher Lizenz geben. Viele Sportwettenanbieter haben bereits einen Lizenzierungsprozess durchlaufen. Bei den Online-Spielbanken läuft alles ein bisschen langsamer. Derzeit gilt allerdings eine Übergangsregelung, die wesentliche Regeln der künftigen Glücksspielregulierung schon vorwegnimmt. Die Anbieter, die sich an die Übergangsregelung halten, müssen nicht befürchten, von den deutschen Bundesländern rechtlich verfolgt zu werden. Es gibt unterschiedliche juristische Auffassungen über die Übergangsregelung. Wichtig wäre deswegen, dass der neue Glücksspielstaatsvertrag pünktlich zum 1. Juli 2024 in Kraft tritt. Allerdings hat sich der Deutsche Städtetag kürzlich dafür ausgesprochen, den Glücksspielstaatsvertrag zu verschieben bis Ende 2022.
Dazu passt, dass die neue deutsche Glücksspielbehörde, die pünktlich mit dem Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrags ihre Arbeit aufnehmen sollte, nach den aktuellen Plänen erst am 1. Januar 2023 arbeitsfähig sein wird. Die neue Glücksspielbehörde soll ihren Sitz in Magdeburg haben. Schon im letzten Jahr hatten Kritiker darauf hingewiesen, dass es kaum möglich sei, innerhalb weniger Monate eine moderne Glücksspielbehörde aufzubauen. Wie soll es aber möglich sein, ohne eine leistungsfähige Glücksspielbehörde das Online-Glücksspiel vernünftig zu regulieren? In Großbritannien und Schweden lässt sich gerade gut beobachten, wie anspruchsvoll die Aufgabe einer Glücksspielbehörde ist. In Luxemburg hat nur Schleswig-Holstein Erfahrung mit Betreibern von Online-Spielbanken. Aber bei der aktuellen Kritik am Glücksspielstaatsvertrag in Baden-Württemberg geht es nur am Rande um die Online-Glücksspielanbieter. Ohne jeden Zweifel ist es für die Betreiber von Spielhallen und Spielbanken aus Stahl und Beton ein Problem, dass plötzlich Online-Spielbanken mit deutscher Lizenz verfügbar sein sollen. Aber de facto gibt es die Online-Spielbanken schon sehr lange in Luxemburg, bislang aber mit EU-Lizenz oder neuerdings unter dem Schirm der neuen Übergangsregelung. Insofern ändert sich für die Betreiber der Spielhallen an dieser Stelle in der Praxis nicht viel. Viel problematischer sind die Vorgaben zu Mindestabständen im neuen Glücksspielstaatsvertrag für die Spielhallen-Betreiber.
Abstandsgebote machen viele Spielhallen illegal
Wer in den letzten Jahren aufmerksam die Nachrichten zu Spielhallen in den deutschen Bundesländern gelesen hat, dürfte immer wieder auf Meldung gestoßen sein, in denen es um das sogenannte Abstandsgebot ging. Worum geht es dabei? Im letzten Glücksspielstaatsvertrag gab es erstmals ein Abstandsgebot, das unter anderem vorschreibt, wie weit Spielhallen voneinander entfernt sein müssen. Auch der Abstand zu öffentlichen Einrichtungen wie Schulen und Kindergärten ist vorgegeben. Allerdings gab es für den aktuellen Glücksspielstaatsvertrag eine großzügige Übergangsfrist. Doch schon im letzten Jahr mussten viele Spielhallen nach dem Ablauf der Frist schließen. Durch zahlreiche Gerichtsverfahren ist es vielerorts zu erheblichen Problemen bei der Durchsetzung des Abstandsgebots gekommen. Die Bundesländer haben daraus die einzig logische Konsequenz gezogen, jedenfalls aus der Sicht echter Politiker: Das Abstandsgebot ist praktisch unverändert für den neuen Glücksspielstaatsvertrag übernommen worden. Eine Übergangsfrist gibt es aber nicht mehr. Vielmehr soll nun von Anfang an die rigorose Umsetzung des Abstandsgebotes in allen Bundesländern gewährleistet werden. In Baden-Württemberg könnte das nach Einschätzung der Deutschen Automatenwirtschaft, einem der führenden Verbände der Glücksspielbranche, einen Verlust von etwa 8.000 Arbeitsplätzen zur Folge haben. Derzeit arbeiten ungefähr 10.000 Menschen in den Spielhallen Baden-Württemberg. Etwa 80 Prozent aller Spielhallen müssten bei einer lückenlosen Umsetzung der Abstandsgebote in Baden-Württemberg geschlossen werden.
Auch der Vorstand des Automaten-Verbands Baden-Württemberg, Dirk Fischer, sieht ein großes Problem im Abstandsgebot. Wie die meisten Vertreter der deutschen Glücksspielbranche plädiert Fischer dafür, die Qualität der Spielhallen zu bewerten und nicht nur die geographische Lage. Wenn ein Spielhallen-Betreiber einen besonders guten Spielerschutz bietet, sollte das in die Entscheidung einbezogen werden. Eines scheint jetzt schon sicher: Wenn der Glücksspielstaatsvertrag in der jetzigen Form ratifiziert wird und die Abstandsgebote umgesetzt werden müssen, wird es zu noch deutlich mehr Gerichtsverfahren als bisher kommen. Ob sich die zuständigen Richter dann nachvollziehen können, dass Online-Spielbanken überall und jederzeit zulässig sind, während Spielhallen nicht nur vorgeschriebene Öffnungszeiten haben, sondern auch Abstandsgebote einhalten müssen, bleibt abzuwarten. Einem neutralen Beobachter erschließt sich jedenfalls nicht zwingend die Logik, die hinter den Abstandsgeboten im neuen Glücksspielstaatsvertrag steht. Aber wenn eines deutlich geworden ist in den letzten Monaten: Auf deutsche Behörden ist Verlass, jedenfalls wenn es darum geht, die passende Begründung für jede beliebige Regelung zu finden.