Irgendwie war es ja abzusehen und jetzt ist es tatsächlich passiert. Der Streamingdienst Twitch erweitert sein Angebot um einen eigenen Sportkanal. Das zu Amazon gehörige Unternehmen ist hauptsächlich für Gaming- und eSport-Streams bekannt und beliebt. Die Erweiterung um einen eigenen Sportkanal ist eine konsequente Fortsetzung der Expansionspolitik dieser Plattform. Schon in der Vergangenheit streamte man einzelne Sportereignisse, wie z.B. Formel 1 Rennen oder Spiele der Englischen Premiere League, wenn zunächst auch ausschließlich in Großbritannien. Nun will sich Twitch internationaler aufstellen. Dafür hat sich der Streaming Dienst die Rechte an 16 Begegnungen der Champions League gesichert und dazu kommen sollen auch noch Spiele der amerikanischen NBA, NHL und UFC. Gestartet wird mit Streams von Spielen großer Fußballklubs wie FC Arsenal und Real Madrid. Paris Saint-Germain und Juventus Turin sollen folgen. Schon jetzt übertragen einzelne Spitzensportler wie Mezut Ösil oder Dele Alli auch Gaming-Content über die Plattform. Dies wird in der Zukunft sicherlich noch weiter zunehmen.

Fortschritt durch Veränderung

Twitch SportTwitch setzt mit dieser Entscheidung den Weg zur Erweiterung seines Portfolios und damit zur Generierung von mehr Zuschauern konsequent weiter fort. Erst letztens war Twitch in Luxemburg in aller Munde, als ein 72 Stunden Streaming eines Angel Events von Rapper Sido und Gamer Knossi sämtliche Zuschauerrekorde brach. Mit 300.000 Streamern knackten die Stars in Luxemburg eine einmalige Grenze - und dies nicht mit einem klassischen Gaming- oder eSport Stream, sondern mit einem relativ neuen Format, dem Event-Streaming. Natürlich kommt man dabei nicht an die Spitzenzahlen aus Amerika oder Japan heran, aber es ist zu bemerken, dass Twitch sich verändert und verändern will. Nicht immer zur Freude der Puristen dieser Plattform, die einer Verwässerung als Gaming- und eSport-Plattform befürchten; aber sicherlich zur Freude der Manager, die natürlich auf einen stärkeren Umsatz hoffen. Das hat sich vermutlich auch Amazon davon versprochen, als der Konzern das Unternehmen kaufte. Synergieeffekte zwischen den einzelnen Unternehmen bzw. Plattformen herzustellen, um somit eine wesentlich größere Kundschaft zu gewinnen. Im Falle von Sido und Freunden ist dies Konzept bereits aufgegangen, denn dieser bewarb das Ereignis heftig auf seinem Instagram und Youtube Kanal und erreichte damit Zuschauer, die vielleicht zum ersten Mal Twitch benutzten, bzw. ausprobierten. Ähnlich wird aller Voraussicht nach auch auf dem neuen Sportkanal passieren. Streamer werben für andere Veranstaltungen und machen auf diese aufmerksam. So ist es doch vorstellbar, dass eSport Teams von Fußball Vereinen Spiele der Kollegen supporten und andersrum auch. Denn es sind nicht wenig, die gerade bei den jüngeren Zuschauern ein Abwenden von den klassischen Sportevents zu Veranstaltungen im Bereich des eSports sehen. Noch holt man mit dem klassischen Fußball, Formel 1, Baseball und anderen Sportveranstaltungen eine Menge Zuschauer ab, aber neueste Trends belegen, dass gerade die Zielgruppe der 15-25-Jährigen vermehrt eSport Events schauen und die klassischen Angebote quasi links liegen lassen. Damit erreicht man diese natürlich nicht mehr als Werbekunden, was letztendlich bedeutet, dass Firmen nicht mehr auf die klassischen Events als Werbeplattform zurückgreifen, sondern ihre Werbeetats anderweitig vergeben. Damit miniert sich eine große Einnahmequelle für die Vereine. Zudem bei einem Zuschauerschwund im Fernsehen auch diese Werbeeinnahme-Quelle versiegen wird.

Twitch: Neue Spiele braucht das Land

Selbstverständlich wurde diese Entwicklung in letzter Zeit auch maßgeblich durch die anhaltende Krise beeinflusst. Während einfach keine Sportveranstaltungen mehr stattfanden, zog es gerade auch Sportwetten-Liebhaber verstärkt zu eSport Ereignisse hin. Nutzer, die vorher ihr Glück im Fußball, Baseball oder Eishockey versuchten, wetten jetzt auf Teams im eSport und haben vielleicht sogar Gefallen daran gefunden. Der eSport profitiert eindeutig von der Krise. Inwieweit das Zuschauerinteresse bei den klassischen Sportevents auch bei fortlaufenden „Geisterveranstaltungen“, also Veranstaltungen ohne Zuschauer, vorhanden sein wird, bleibt abzuwarten. Sicherlich wird eifrig an Konzepten gearbeitet, wie man Sportveranstaltungen wieder mit Zuschauern zulassen oder durchführen kann, aber es gibt noch zu viele Unwägbarkeiten, die die Entwicklung beeinflussen können. Sicherlich denkt man bei Twitch auch längerfristig und sieht den Sport Kanal als eine Investition in die Zukunft. Aber wie diese dann aussehen wird, weiß man aktuell noch nicht.

Es wird sicherlich eine immer stärkere Vermischung zwischen eSport, klassischem Sport und den verschiedenen Plattformen stattfinden. Deswegen gehört es auch zu der Firmenpolitik der Globalplayer, wie beispielsweise Amazon, sich durch Zukäufe von erfolgreichen Plattformen oder anderen Diensten so etwas wie ein Monopol zu schaffen und durch eine starke Vernetzung der einzelnen Angebote eine sehr große Nutzerzahl zu erreichen. Dabei ist man natürlich einem stetigen Wandel unterworfen und auch so etwas wie Modeerscheinungen. War z.B. Facebook in den ersten Jahren eine Plattform für eine eher junge Zielgruppe, so hat sich dies komplett gewandelt. Mit der „Entdeckung“ durch ältere Nutzer, ist Facebook für Jüngere mittlereeile „uncool“ geworden, denn sie sind in Scharen zu anderen Anbietern abgewandert. Ob dies bei Twitch auch passieren wird, bleibt abzuwarten. Es kann durchaus sein, dass der „klassische“ Gamer sich im neuen Twitch nicht mehr wiederfindet und sich daher neue Plattformen sucht. Schon jetzt gibt es, wie erwähnt, Puristen, die warnend den Zeigefinger heben.  Aber dies ist erstmal alles Zukunftsmusik. Erstmal muss sich der neue Sport Kanal auf Twitch etablieren und dann wird man sehen, wohin die Entwicklung wirklich geht.