Eine grundlegende Reform steht ins Haus. Schließlich wurde ja auch lange und zäh verhandelt, bis sich die Länder endlich auf einen "Staatsvertrag zur Neuregulierung des Glücksspielwesens" geeinigt hatten, der für private Online Casinos und Sportwettenanbieter neue Regeln schafft. Derzeit liegt dieser Staatsvertrag zur Ratifizierung vor. Unterdessen befasst sich eine neu gegründete Arbeitsgruppe, die aus Mitgliedern der Staatskanzleien besteht, mit einer sogenannten Übergangsregelung, die bis zum Inkraft treten des neuen Glücksspielstaatsvertrags im Juli 2024 gelten soll. Diese soll deutlich großzügiger angelegt und „weicher“ sein, als es das derzeit gültige Gesetz vorsieht. Eine Beschlussvorlage hierzu liegt vor.

Duldung für Online Casinos gefordert

Online CasinoHochrangige Vertreter der Staatskanzleien in Berlin, Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Bayern haben ein Papier erarbeitet, das neue Regeln für die sogenannte Übergangsphase festlegt. Gemeint ist damit die Zeit, in der der neu verhandelte Staatsvertrag noch nicht in Kraft ist und von daher noch die alten Gesetze gelten, die private Angebote von Glücksspiel im Internet verbieten. Was die Angebote von Sportwetten betrifft, so hatten sich die Länder bereits vor geraumer Zeit auf eine Duldung geeinigt. Was hingegen mit Online Casinos geschehen soll, steht seither in den Sternen. Jüngst kam es sogar zum Streit zwischen einzelnen Bundesländern. Während beispielsweise Hessen sich entschlossen für eine Duldung ausspricht, wettern Niedersachsen und Hamburg konsequent dagegen. Sie wollen auch weiterhin gegen nicht legale Angebote vorgehen, bis der neue Glücksspielstaatsvertrag in Kraft tritt. Nun gibt es ja auch geduldete Anbieter von Sportwetten, wie z.B. Tipico und Bwin, die zu Ihrem Wettangebot auch derzeit noch verbotene Casino Spiele offerieren. Vor kurzem hagelte es sogar eine Strafanzeige gegen diese Betreiber von der Hamburgischen Glücksspielaufsicht. Das hatte nun on top zur Folge, dass verschiedene Bundesländer dafür plädieren, diese Anbieter als unzuverlässig einzustufen, wenn es um die Vergabe künftiger Lizenzen geht. Das würde de facto bedeuten, dass man ihnen dann weder eine Lizenz für Online Casinos noch für die Wettabgabe zu Sportereignissen erteilen könnte.

Viele Online Casinos als unschädlich eingestuft

Der aktuelle Vorschlag zu den Übergangsregeln kommt für viele wie eine Art Amnestie für Online Casinos daher. „Der Vollzug gegen unerlaubte Glücksspielangebote wird auf diejenigen Anbieter konzentriert, bei denen abzusehen ist, dass sie sich auch der voraussichtlichen zukünftigen Regulierung entziehen wollen," heißt es in dem vorliegenden Arbeitspapier. Außerdem sieht es die Arbeitsgruppe als „unschädlich“ an, wenn „... ein Anbieter bereits heute Online Casino Spiele anbietet, dabei aber die Vorgaben des neuen Staatsvertrags einhält - soweit das technisch möglich ist". Schließlich ist das häufig kompliziert, die viele Anbieter aus Lizenzgründen im Ausland sitzen. Aktuell gibt es bei Sportwetten ein Verlustlimit von monatlich 1.000,- Euro je Spieler. Es können jedoch vom Anbieter auch Ausnahmen für einzelne Spieler beantragt werden. Die neue Übergangsregelung sieht hingegen vor, das Limit auf bis zu 30.000,- Euro pro Monat zu erhöhen. Selbstverständlich nur, wenn die Spieler auch entsprechende Verdienst-, bzw. Vermögensnachweise vorlegen können und dies soll auch nur für bis zu 1 % der Spieler gelten. Offen bleibt jedoch, wie diese Kontrollen vonstattengehen sollen. Das ruft nun wieder die Suchtexperten auf den Plan, die kräftig Alarm schlagen. Sie fürchten, dass die Betreiber dann von den exzessiven Spielern profitieren könnten.

Keine Einigung der Bundesländer

„Hamburg ist für ein generelles Verbot von Online Casino Spielen. Da dies aber einen einstimmigen Beschluss aller Bundesländer erfordert und dieser seit Jahren von einzelnen Landesregierungen blockiert wurde, musste hierzu ein Kompromiss gefunden werden," kommentiert ein Sprecher der Senatskanzlei Hamburg dieses Kompromiss. Von den Staatskanzleien in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Berlin kam dazu kein inhaltlicher Kommentar. Insider berichten, dass es sich bei dem Verschlag zur Übergangsregelung um einen Versuch handelt, die „... sehr unterschiedlichen Positionen der Länder in Sachen Glücksspiel zu vereinigen“. Es gibt sogar Stimmen, die mutmaßen, der mühsam errungene neue Glücksspielstaatsvertrag könne am Ende doch noch scheitern. In diesem Fall wäre eine einheitliche Regulierung des Glücksspiels, die von allen Bundesländern mitgetragen wird, vermutlich nicht mehr durchzusetzen. Alles in allem sehen es vor allem die Behörden aus dem Saarland und aus Hamburg als einen Dämpfer an, da sie erst unlängst den Versuch starteten, dem illegalen Glücksspiel im Netz Einhalt zu gebieten. Vehement waren sie gegen die Werbung für nicht erlaubtes Glücksspiel vorgegangen. Das Innenministerium Niedersachsens hatte noch einen oben draufgesetzt, indem sie Zahlungsdienstleistern untersagten, Geldgeschäfte für unerlaubtes Glücksspiel abzuwickeln. Ein Gremium, das die Länder berät, ist der Fachbeirat Glücksspiel, der die avisierte Übergangsregelung scharf kritisiert. Konrad Graf ist Geschäftsführer der Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern und stellvertretender Vorsitzender des Beirats. Er sagt: „Wir fordern ganz klar, dass bisher illegal tätige Glücksspielanbieter nicht geduldet werden und nach einer Wohlverhaltensphase erst eine Lizenz erhalten können. Hier werden mit einem Schlag Firmen, die aus dem Ausland illegales Glücksspiel anbieten, legalisiert". In einem aktuellen Brief, den alle Parlamente der Länder erhalten haben, wird die Forderung des Fachbeirats ganz deutlich. Sie besagt, dass der Glücksspielstaatsvertrag komplett neu verhandelt werden soll. In den Augen der Experten liegen „... drastische Defizite in Prävention und Spielerschutz" vor. Sie kritisieren, dass es keinen Mechanismus gäbe, der die Prüfung der Wirksamkeit aller Regelungen vorsieht. Außerdem fordert der Beirat die Glücksspielwerbung auf ein Minimum herunterzufahren. „Sie verstärkt die Illusion von schnellen Gewinnen und blendet Suchtgefahren aus", so der Fachbeirat weiter.