Wird eine überzogene Glücksspiel-Regulierung in vielen europäischen Ländern zum Problem für die Glücksspielbranche insgesamt? Für Julian Buhagiar von RB Capital ist diese Frage maßgeblich hinsichtlich der Entwicklung der börsennotierten Glücksspielanbieter. Eine besondere Gefahr sieht der renommierte Analyst darin, dass eine überzogene Regulierung viele Glücksspiel-Fans dazu bringen könnte, auf dem Schwarzmarkt zu spielen. Im Mittelpunkt der Analyse stehen die Online-Anbieter, insbesondere die Online Casinos und die Online-Buchmacher. Der Finanzanalyst Julian Buhagiar hat sich im Detail angeschaut, wie sich die Glücksspiel-Regulierung in Europa aktuell entwickelt. Der einfache Hintergrund: Julian Buhagiar möchte Investoren die nötigen Informationen an die Hand geben, um in die Glücksspielbranche zu investieren. Wichtige Beispiele sind für Julian Buhagiar Großbritannien und Schweden. In Großbritannien gibt es schon seit vielen Jahren eine umfassende Regulierung der Online-Anbieter. Schweden reguliert seit Anfang 2019 Online Casinos und andere Online-Glücksspiele.
Großbritannien und Schweden als warnende Beispiele
Beide Länder haben einen Alleingang gemacht bei der Regulierung und zum Teil sehr unterschiedliche Vorgaben für die Glücksspielbranche gemacht. Als Beispiel für fehlgeleitete Politik nennt Julian Buhagiar die Warn-Apps, die zur Lösung der aktuellen Gesundheitskrise sowohl in Großbritannien als auch in Schweden in Eigenregie entwickelt worden sind. Schon jetzt lässt sich sagen, dass beide Länder mit ihren Warn-Apps auf die Nase gefallen sind. In Schweden wird die Warn-App kaum genutzt, weil es ernste Bedenken hinsichtlich der Nutzung privater Daten gibt. In Großbritannien ist die Warn-App nicht einmal veröffentlicht worden bisher, da es massive technische Probleme gibt. Das Gegenbeispiel von Julian Buhagiar ist die Warn-App, die auch in Luxemburg genutzt wird und in Kooperation mit Google und Apple entwickelt worden ist. Diese App wird mittlerweile von 30 Ländern genutzt und hat einen dezentralen Ansatz. Auch wenn unklar ist, ob diese App am Ende einen großen Fortschritt in der Gesundheitskrise bringen wird, lässt sich doch hier schon feststellen, dass diese App technisch, inhaltlich und auch hinsichtlich des Datenschutzes den beiden Konkurrenten in Schweden und Großbritannien deutlich überlegen ist.
Warum weist Julian Buhagiar auf die gescheiterten Warn-Apps in Großbritannien und Schweden hin? Für den Finanzanalysten sind die Apps ein typisches Beispiel für politische Ansätze, bei denen Politiker es versäumt haben, auf Experten zu hören, die sich mit der Thematik besser auskennen. Stattdessen wurde in Großbritannien und Schweden auf der Basis veralteter Vorstellungen aus der analogen Welt eine digitale Lösung versucht. Allen Experten war von vornherein klar, dass dieser Ansatz scheitern musste. Dieses Beispiel lässt sich sehr schön auf die digitale Glücksspielbranche übertragen. Nicht nur in Großbritannien und Schweden versuchen die Gesetzgeber die alten Methoden der analogen Glücksspiel-Regulierung auf das Internet anzuwenden. Doch dieser Ansatz muss scheitern, da die Spielregeln völlig anders sind im Internet. Ein ganz simples Beispiel: Wenn eine Spielhalle gegen die Regulierung verstößt, kann die zuständige Behörde die Spielhalle schließen. Es besteht nicht die Gefahr, dass gleich nebenan eine neue Spielhalle aufmacht, die mehr Spiele anbietet und höhere Einsätze erlaubt. Im Internet ist das anders. Wenn ein Casino geschlossen wird, muss der Kunde nur ein paar Klicks machen, um gleich zum nächsten Angebot zu gelangen. Wenn die Kontrolleure sehr streng sind und die Regeln restriktiv, werden viele attraktive Angebote vom regulierten Markt ausgeschlossen. Das Ergebnis ist dann aber nicht, dass die Glücksspiel-Fans traurig zu Hause sitzen und sich darüber grämen, dass keine Online-Glücksspiele mehr verfügbar sind. Vielmehr spielen die Glücksspiel-Fans dann gezwungenermaßen bei Anbietern, die sich nicht um die Regulierung kümmern.
Schweden und Großbritannien verschärfen Regulierung
In Schweden ist im Juli ein niedriges Einzahlungslimit für Online Casinos beschlossen worden gegen den Protest der Glücksspielbranche. Das Einzahlungslimit soll zunächst nur bis zum Ende des Jahres gelten. Die Glücksspielanbieter sind zu dieser Thematik überhaupt nicht befragt worden. Der Gesetzgeber ist selbstverständlich dazu berechtigt, Regeln zu verändern, auch ohne Branchenvertreter zu fragen. Aber der Gesetzgeber muss dann auch in Verantwortung genommen werden für die Folgen von Regeländerungen. In Schweden lässt sich jetzt schon beobachten, dass viele Casino-Besucher die Angebote mit schwedischer Lizenz meiden und stattdessen bei Anbietern auf dem Schwarzmarkt aktiv werden, die kein Einzahlungslimit haben und auch sonst das deutlich attraktivere Angebot zur Verfügung stellen. Damit ein regulierter Glücksspielmarkt im Internet funktioniert, muss das Angebot insgesamt so attraktiv sein, dass die meisten Spieler überhaupt nicht auf die Idee kommen, nach Angeboten auf dem Schwarzmarkt zu suchen. Aber anhand der Statistiken der Suchmaschinen lässt sich nachvollziehen, dass im Laufe des Jahres die Suchanfragen nach Anbietern ohne schwedische Lizenz in Schweden deutlich zugenommen haben. Dieser Trend wird zunehmen, wenn der schwedische Gesetzgeber die Glücksspiel-Regulierung weiter verschärft. Die Frage ist, was mit diesem Ansatz erreicht werden soll. Angeblich geht es darum, den Spielerschutz zu verbessern. Aber wie soll der Spielerschutz besser werden, wenn immer mehr Glücksspiel-Fans bei Anbietern unterwegs sind, die überhaupt nicht von Schweden reguliert werden?
In Großbritannien sind zuletzt Kreditkarten in Online Casinos verboten worden. Das war eine Maßnahme, die von der Glücksspielbranche zu großen Teilen mitgetragen worden ist, auch wenn es kurzfristig Einbußen gab. Aber nun steht in Großbritannien eine deutlich härtere Verschärfung an, denn es gibt eine Parlamentarier-Gruppe, die über 30 Änderungen an der aktuellen Glücksspiel-Regulierung verlangt. Unter anderem soll der Mindesteinsatz beim Online-Glücksspiel deutlich reduziert werden. Die Glücksspielbranche läuft Sturm gegen die Vorschläge, denn allen Glücksspielanbietern ist klar, dass es schwierig werden wird, mit den vorgeschlagenen Änderungen gegen die Schwarzmarkt-Konkurrenz zu bestehen. Darauf weist auch Julian Buhagiar hin, der als direkte Folge einer restriktiven Regulierung davon ausgeht, dass die schwedischen und britischen Glücksspielanbieter wirtschaftlich deutlich schwächer werden. Damit werden die Firmen für Investoren weniger interessant. Genauso wie die Glücksspielbranche funktioniert auch die Börse mehr oder weniger grenzenlos, sodass sich Investoren gegebenenfalls Firmen suchen können, die deutlich weniger restriktive Regulierungen befolgen müssen. Wenn demnächst schwedische und britische Glücksspielanbieter Arbeitsplätze abbauen müssen, weil die Umsätze nach unten gehen, wird sich wahrscheinlich keiner der zuständigen Politiker verantwortlich fühlen. Generell ist es bei politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen wichtig, immer das Gesamtbild zu sehen. Doch wenn es um Glücksspiel geht, scheint das in vielen Ländern nicht erwünscht zu sein. Auch Luxemburg ist auf dem Weg zu einer sehr restriktiven Regulierung des Online-Glücksspiels.
Folgt Luxemburg bald Schweden und Großbritannien?
Es wäre eine gute Idee, von den Erfahrungen in Schweden und Großbritannien zu lernen. Doch der deutsche Gesetzgeber möchte eigene Erfahrungen sammeln bei der Glücksspiel-Regulierung. Anders ist es nicht zu erklären, dass sich die Bundesländer auf eine sehr restriktive Regulierung des Online-Glücksspiels im neuen Glücksspielstaatsvertrag geeinigt haben. Noch ist dieser Glücksspielstaatsvertrag nicht verabschiedet worden, sodass noch nicht völlig klar ist, dass die strenge Regulierung kommen wird. Aber wenn mindestens 13 von 16 Bundesländern den Glücksspielstaatsvertrag ratifizieren, wird ab Mitte 2024 ein strenges Einzahlungslimit für Online-Glücksspiel gelten. Auch der Einsatz pro Spiel wird auf einem niedrigen Niveau festgeschrieben. Viele Glücksspiel-Experten gehen davon aus, dass in diesem Fall der legale Markt in Luxemburg nur einen kleinen Teil des echten Glücksspielmarktes erfassen wird. Es spricht einiges dafür, dass Luxemburg noch wesentlich schneller als Schweden einen großen Schwarzmarkt kreieren wird, der von vielen Glücksspiel-Fans genutzt wird. Anders ist kaum zu erklären, dass er sich in Luxemburg eine Glücksspiel-Regulierung durchgesetzt hat, die wichtigen Erfahrungen und Ratschlägen aus der Glücksspielbranche widersprechen. Falls die Glücksspiel-Regulierung in der Praxis scheitert, gibt es zumindest keine Rätsel um die Frage, wie es so weit kommen konnte. Eine restriktive Glücksspiel-Regulierung ist nur möglich, wenn es wirksame Möglichkeiten gibt, den Schwarzmarkt zu unterbinden. Das ist im Internet aber nur mit Methoden möglich, die ausschließlich von totalitären Staaten angewendet werden.
Deutschland hat schon damit begonnen, den Kampf gegen den Glücksspielmarkt im Internet aufzunehmen. Mit diversen Attacken gegen Zahlungsanbieter sind vermeintliche Teilerfolge bereits gelungen. PayPal und VISA gibt es in vielen Online Casinos als Zahlungsmethoden nicht mehr, weil Niedersachsen es geschafft hat, diese beiden Zahlungsanbieter davon überzeugen, Transaktionen, an denen Online Casinos beteiligt sind, nicht mehr durchzuführen. Diese Maßnahmen sind jedoch umstritten und werden mittlerweile auch von Gerichten untersucht. Der deutsche Gesetzgeber versucht noch viel stärker und restriktiver als Schweden und Großbritannien bislang, mit analogen Maßnahmen eine digitale Technik in den Griff zu bekommen. Es ist unglaublich, wie beratungsresistent viele Politiker nach wie vor sind, wenn es um das Internet geht. In Luxemburg diskutieren Politiker gerne über Vorratsdatenspeicherung und Internetsperren, obwohl diese beiden Methoden längst von den Gerichten kassiert worden sind. Wenn sich irgendjemand fragt, warum die großen Internetfirmen nicht in Luxemburg beheimatet sind, sollte man sich anschauen, wie Politiker das Internet wahrnehmen und damit umgehen. Nicht nur in der Glücksspielbranche zeigt sich oft, dass das technische und inhaltliche Verständnis auf einem erschreckend niedrigen Niveau ist. Bei der Glücksspiel-Regulierung werden es am Ende vor allem die Glücksspiel-Fans in Luxemburg sein, die für die Unkenntnis vieler Politiker bezahlen müssen.